Das Wort Fasten hat bei uns meist einen Beigeschmack, denn in unseren Köpfen hängt das durchgetaktete Kirchenjahr fest, in dem es immer wieder von außen gefordert wurde, auf bestimmte Speisen oder Handlungen zu verzichten. So ging es mehr und mehr darum, beim Fasten nur nichts falsch zu machen. Und andersherum betrachtet: mit regelmäßiger Askese Gott zu gefallen - oder dem Papst, dem Pfarrer oder auch dem Nachbarn. Enthaltsamkeit schien ein mögliches Mittel, den Himmel milde zu stimmen. So wurde Fasten eher zur Pflicht, denn zum Bedürfnis.
Mit der Reformation wurden diese strengen Regeln infrage gestellt. Martin Luther lehnte die Vorstellung ab, dass Verzicht und Askese als gute Werke vor der Hölle bewahren. Gefastet hat er wohl, doch nicht als religiöse Pflicht. Er empfiehlt das Fasten "als eine feine äußerliche Zucht" - aber eben nicht als Weg zum Heil.
Wer in der Fastenzeit auf etwas verzichtet, darf daher nach protestantischem Verständnis selbst entscheiden, was ihm gut tut. Heute knüpft kaum mehr jemand sein Seelenheil an den Verzicht auf Fleisch oder andere Genüsse in der Fastenzeit. Eher gilt sie als Zeit der Einkehr, der Umkehr und Besinnung.
Eine Zeitlang auf Gewohntes zu verzichten ist mehr als eine alte Tradition. Deshalb wird in der Fastenaktion nicht nur als sieben Woche ohne bezeichnet, sondern manchmal auch als sieben Wochen mit.

Und Fasten ist nicht an eine bestimmte Zeit gebunden. Die vorgegebenen Fastenzeiten können uns nur einen Anstoß geben , ermuntern oder erinnern, dass es möglich ist, das eine oder andere im Leben zu ändern oder zu hinterfragen. In biblischen Zusammenhängen wird das Fasten meist durch eine lebensverändernde Situation ausgelöst. In diesem Sinne bedeutet Fasten, Gott gegenüber eine fragende Haltung einzunehmen und zu hören, was er zu sagen hat.

Im Verzicht gelingt dies vielleicht eher und werden wir vielleicht hellhöriger. Probehalber etwas anders zu machen - auch wenn es schwer fällt - kann die Entdeckung mit sich bringen, dass es anders besser sein könnte. Eine Weile das zu vermeiden, womit wir sonst viel Zeit verbringen und uns besonders im Wege stehen, das setzt Kräfte frei.

Weiter Horizont


Manchmal ist es nur ein kleiner Schritt zur Seite und es zeigt sich auf einmal etwas anderes, Unerwartetes, lange Übersehenes. Wenn das gelingt, dann lassen wir bekanntes und umrissenes Gelände hinter uns und fasten auf einen ständig weiter werdenden Horizont hin. Dann finden wir danach den Weg in die Gewohnheit vielleicht gar nicht wieder zurück - und gehen einen neuen Weg. Auch wenn er durch manche Windungen noch nicht klar erkennbar ist. In der Passionszeit leben wir dem Licht der Auferstehung entgegen. Neues Leben wird uns verheißen.
Warum sollte so eine kleine Auferstehung mitten im Leben nicht möglich sein?
Probieren Sie es einfach mal aus. Viel Erfolg

Ihr Pfr. Dieter Ebert

Fastenaktion 2022

Fastenaktion 2022

Liebe Mitfastende,
vierzig Tage fasten! Ob ich das schaffen kann? Unsere Antwort steckt im diesjährigen Fastenmotto: Üben! In den "Sieben Wochen ohne Stillstand" wollen wir Sie ermutigen, Neues auszuprobieren. Manchmal gelingt nicht alles sofort, aber es ist gut, sich auf den Weg zu machen!

Üben ist Bewegung. An jedem Tag, in jeder Situation. Und "7 Wochen Ohne" ist das Trainingslager dafür. Die Fastenzeit bezieht sich auf Jesu vierzig Tage in der Wüste.Er stieg aus dem "normalen", üblichen Leben aus, um sich darüber klarzuwerden, ob er dem Weg Gottes folgen könne oder wolle. Jesus übte Enthaltsamkeit nichtum ihrer selbst willen. Er trainierte.

Manches aber kann ich nicht für mich allein üben. Kritik zum Beispiel. Es ist gut, wenn wir das unseren Mitmenschen gegenüber tun. Und es hilft, wenn wir den Sinn dieser For­mulierung verstehen: Unsere Meinung zum Tun und Denken unserer Nächsten ist keine absolute, starre Besserwisserei. Wir äußern Kritik, weil wir Bewegung in Beziehungen ersehnen. Und dazu gehört auch, dass wir Geduld üben, wenn uns die oder der Nächste widerspricht.
Los gehts! Übung macht den/die Meister:in! Der Weg zu einer geschlechtergerechten Sprache ist übrigens ein gutes Beispiel: Um den Stillstand, das Festhalten an über­kommenen Sprachregeln zu überwinden, hilft nur die Entwicklung eines sensiblen Bewusstseins. Und das purzelt einem - oder einer - nicht einfach ins Hirn. Auch hier also muss man trainieren, also üben, üben, üben!

Es würde mich sehr freuen, wenn niemand bei der Lektüre des Kalenders stillsteht. Und wenn doch? Dann eben jeden Tag das Verständnis eines Textes oder Bildes üben - oder auch die Kritik daran. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
Arnd Brummer
Botschafter der Aktion "7 Wochen Ohne"