Einweihung der Turmspitze der Laurentiuskirche
ANSPRACHE Pfarrer i.R. Thomas Ranz
Lieber Herr Architekt Hinderer,liebe Mitarbeitende der Fa. Scheu und anderer Handwerksfirmen,
liebe Mitglieder des Parochieausschuss s,
liebe Bläserinnen und Bläser,
liebe Gemeindeglieder aus Bitzfeld,
liebe Anwesende
Unsere Bitzfelder Laurentiuskirche bekommt heute ihre Turmzier wieder. Ziemlich genau sieben Jahre lang hatte der Kirche diese Turmzier gefehlt. Wir hatten sie am 28. Oktober 2017 in einer eiligen Aktion abnehmen lassen, da Gefahr im Verzug war. Die Turmzier war in Schräglage geraten, und es bestand die Gefahr, dass sie abstürzen und Menschen verletzen könnte. Die Stelle, wo die Turmzier saß, wurde mit einer Blechabdeckung provisorisch verschlossen. Über die Gründe, warum es so lange gedauert hat, bis die neue bzw. erneuerte Turmzier angebracht werden konnte, möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen. Vielmehr freue ich mich, dass es nun endlich so weit ist. Denn ein Kirchturm historischer Bauart ohne Turmzier - das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Da tröstet es auch nicht, wenn zwischendurch einmal ein Storch auf der leeren Kirchturmspitze Platz nimmt, und so - zumindest vorübergehend - den Hahn ersetzt.
Weshalb braucht man eigentlich so eine Turmzier?
Ein Wort des Schweizer Historikers Rudolf Jud (*1923) fällt mir hierzu ein. Er schreibt:
"Unserer Zeit ist der Sinn
für die Spitze der Pyramide abhandengekommen.
So dringt der Regen ein,
erschüttert den Bau bis ins Fundament. Was Jahrtausende hielt,
zerfällt innerhalb weniger Generationen.
Ameisen gleich flicken wir geschäftig an Schäden der Basis herum,
ohne Hoffnung auf ein Ende,
und wir zürnen dem Himmel,
der uns seinen Segen verweigert,
wie wir meinen - wir Toren!" (25. 09. 1987)

Abgesehen von den technisch notwendigen Stützen und Halterungen besteht unsere Turmzier ja vor allem aus drei Dingen:
1.) Der Kugel: Sie steht für unsere Welt.
2.) Über dieser Welt steht das Kreuz. Es steht für Christus, der durch seinen Tod am Kreuz und durch seine Auferstehung zur Rechten Gottes sitzt, und nun der Herr dieser Welt ist.
Kugel und Kreuz sind quasi der Reichsapfel Christi, wie wir ihn auch auf vielen historischen Altarbildern zu sehen bekommen, auf denen Christus als der Weltenherrscher, als Pantokrator, dargestellt wird.
3.) Über dem Kreuz befindet sich dann noch der Hahn.
Er dreht sich in die jeweilige Richtung des Windes, was durchaus sinnvoll ist, weil er uns so die Richtung anzeigt, woher und wohin der Wind weht.
Gleichzeitig verbindet sich damit aber die Erinnerung an jene Episode aus der Passionsgeschichte, beim letzten Abendmahl vor der Verhaftung Jesu. Dort kündigt Jesus dem Petrus an: Bevor der Hahn krähe, werde er - Petrus - ihn dreimal verleugnen. Petrus weist das entrüstet von sich. Doch als Jesus im Haus des Hohenpriesters verhört wird, und Petrus - am Lagerfeuer sitzend - von einer Magd entdeckt wird / als einer, der zu Jesus gehört, da leugnet er vehement, irgendetwas mir diesem Jesus zu tun zu haben.
Der Hahn soll uns also daran erinnern, es nicht Petrus gleich zu tun, sondern zu Jesus, zu unserem Glauben zu stehen, egal, aus welcher Richtung der Wind kommt.
Noch etwas: das laute Krähen eines Hahns ist ja unüberhörbar: Der Hahn kündigt den Sonnenaufgang an, den neuen Tag und das Ende der Nacht.
Für Christen ist er also auch ein österliches Symboltier, auch wenn er es mit dem Hasen und dem Lamm nicht aufnehmen kann: Der Hahn steht also auch für den Sieg des Lichts über die Dunkelheit im Morgengrauen und damit für die Auferstehung Christi und das Leben nach der Finsternis im Grab. So betrachtet, ist eine Kirchturmspitze mit ihren Elementen eine Zeitansage: Sie zeigt an, was gilt, auch wenn sich alles ändert. Und sie mahnt uns, das, was ewig gilt, im Blick zu behalten, wenn vieles oder alles sich ändert. Sie mahnt uns, darauf zu hoffen und zu vertrauen, dass die Nacht schon im Schwinden ist und der neue Tag schon zu erahnen ist.
Die alte Turmzier saß auf der Kirchturmspitze - soweit ich mich noch erinnere - von 1922 bis 2017. Eine komplett durchweichte Zeitung in der Kugel trug ein Datum aus dem Jahr 1922. Außerdem fand sich in der Kugel eine kupferne Zeitkapsel, die sicherheitshalber nicht geöffnet wurde, da nicht klar war, ob der Inhalt evtl. durch das Öffnen zerstört würde.
Eine neue Zeitkapsel wurde in die Kugel eingefügt. Über der Kugel befindet sich das Kreuz. Es war schon einmal repariert worden, weshalb der untere Abschnitt des senkrechten Balkens etwas verkürzt war. Insgesamt war das Kreuz aber so stark korrodiert, dass es keine weiteren hundert Jahre überstanden hätte. So wurde es nun durch eine genaue Nachbildung des alten Kreuzes ersetzt.
Der Turmhahn war wohl ursprünglich vergoldet; geringe Spuren einer Vergoldung waren noch zu finden. Was der Hahn in diesen 95 Jahren alles erlebt und gesehen hat, das wäre einen eigenen Vortrag wert. Vieles davon kann man in dem sorgfältig recherchierten, ausführlichen Heimatbuch des Ehepaars Grieb nachlesen. Dass allerdings auch jemand - wohl bereits vor Jahrzehnten - den Hahn für Zielübungen mit dem Spatzengewehr missbraucht hat, das hat er wohl nicht verdient. Auch ist sein Drehlager im Laufe der Jahre den Witterungseinflüssen erlegen, so dass er sich in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr drehen konnte. All das ist also nun behoben. Die Turmzier ist wieder hergestellt, wunderschön vergoldet und bereits wieder montiert. Mit der heutigen Einweihung sind die Arbeiten am Turm abgeschlossen, und das aufwändige Gerüst kann wieder abgebaut werden. An dieser Stelle ein großes Lob an die Gerüstbauer, die ein zur Hälfte freischwebendes Gerüst an den Turm gebaut haben, mit Aufzug bis zur 14. Etage. Das ist schon eine konstruktive Meisterleistung. Aber auch allen anderen Handwerkern sei an dieser Stelle gedankt für ihre sorgfältige Arbeit.
Unser Dank gilt auch allen Mitgliedern des Parochieausschuss s, die sich für dieses Projekt stark gemacht haben. Herzlichen Dank auch Ihnen, lieber Herr Architekt Hinderer, für die sachkundige Begleitung des Projekts. Ab heute hat also der Turm wieder seinen würdigen Abschluss, und strahlt nun golden in den Himmel, mit seiner eindeutigen Botschaft, die weithin verkündet wird, auch ohne Worte.
Im Sinne des eingangs zitierten Wortes aus dem Propheten Micha hoffen und beten wir, dass diese Botschaft auch dazu beitragen möchte, dass die Krisen, Konflikte und Kriege dieser Welt beigelegt werden können. Damit die Waffen, die heute wieder eifriger denn je gebaut und leider auch zum Einsatz gebracht werden, endlich verschrottet und zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Wir beten dafür, dass dieser Turm und seine Turmzier viele Jahrzehnte unbeschadet überstehen mögen, dass weder Kriege noch Revolutionen noch klimatische Ereignisse ihr etwas anhaben können, damit die Botschaft, für die Kirche, Turm und Turmzier stehen, weiterhin verkündet wird. Weitere Bilder in der Bildergalerie